Warburg Gespräche zur Religion

Quelle: Hansestadt Warburg

 -....-

Im Rahmen der Demokratiekonferenz trafen sich der Bundespräsident a.D. Christian Wulff mit Vertretern der Warburger Religionsgemeinschaften im Kirchenschiff des Klosters St. Jakob von Sarug. Sie diskutierten über die Vielfalt der Religionen in der Stadt, der Toleranz mit den Kulturen, der Demokratie als auch über Sorgen und Bedenken über aktuelle politische Entwicklungen. Im Zuge des Besuches führte der Gastgeber Erzbischof Philoxenus Mattias Nayis Bürgermeister Scherf mit Christian Wulff durch den Ausstellungsraum des Klosters, in dem u.a. religiöse Texte in aramäischer Sprache ausgestellt werden.

Ein feierlicher Moment für die Stadt war der Eintrag des Ehrengastes in das goldene Buch der Hansestadt. Im Zuge des Religionsgespräches hinterließ Bundespräsident a.D. Christian Wulff im Beisein unseres Bürgermeisters Tobias Scherf und Vertretern des Syrisch-orthodoxen Kirche eine schriftliche Erinnerung an seinen Besuch in Warburg und die Teilnahme an die, gerade in den aktuellen Zeiten,  wichtigen Gesprächen und Diskussionen.


Bürgermeister Tobias Scherf fand treffende Worte zur Eröffnung des Gesprächs:
"Wir haben uns für dieses Gespräch über „Religion und Demokratie“ ganz bewusst für diesen geschützten Rahmen hier im Kloster entschieden", erklärt Bürgermeister Tobias Scherf. "Wir haben festgestellt, dass Warburg eine tolerante und weltoffene Stadt ist, dass Menschen, die bei uns leben, hier willkommen sind. Es gilt für uns das Prinzip: Wer bei uns in Warburg - als Flüchtling oder Asylbewerber - lebt oder ankommt, wird menschenwürdig und anständig behandelt. Die Würde des Menschen ist unantastbar", so der Bürgermeister.

Zudem sei festzustellen: "Die Vielfalt der Religionen ist ein Ausdruck unserer Willkommenskultur. Das friedliche Miteinander der Religionen in dieser Stadt gibt es seit viel Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten. Ihre Teilnahme, verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften, bringt dies zum Ausdruck".
Auch in der Hansestadt stehe die Demokratie unter Druck,  gibt es Ängste der Menschen vor Fremden, vor Andersartigkeit, vor anderen Religionen, vor Überforderung.
"Auch wir stellen fest, dass Miteinander, Verständnis und Toleranz von manchen nicht immer verstanden und gelebt wird", resümiert der Bürgermeister.

Aber: gerade deswegen haben wir uns im Bundesprogramm "Demokratie leben!" beworben und nehmen nun im zweiten Jahr mit zahlreichen Projekten teil: Demokratie braucht Verteidigung und Wertschätzung, daran arbeiten viele Menschen in dieser Stadt. Demokratie kann, darf und muss auch seitens der Religionsgemeinschaften geschätzt und verteidigt werden. Wir alle können aktiv die Ängste vor Veränderung, die Ängste vor dem anderen angehen und deutlich machen: Wir heißen all diejenigen Willkommen, die unsere demokratische Gesellschaft voranbringen und mitgestalten.



Der Moderator des Gesprächs, Claus Peter Müller von der Grün betont das Potential Warburgs
"Vielen Dank, dass ich das Warburger Religionsgespräch mit Bundespräsident Wulff und sechs Vertreterinnen und Vertretern des Buddhismus, des Christentums und des Islams moderieren durfte. Das Gespräch offenbarte, dass und wie ein tolerantes Miteinander gelingt, wenn sich die Glaubenden in gegenseitiger Achtung begegnen und im Gegenüber vor allem den anderen Menschen sehen, den Gott nach seinem Bilde geschaffen hat, und dessen Würde mithin  unantastbar ist (Artikel 1 Grundgesetz)", so Müller von der Grün.

Vielfalt ist Reichtum

Es sei beeindruckend, welche religiöse und damit auch kulturelle Vielfalt die Menschen in Warburg Tag für Tag leben. Hier gibt es die katholische Kirche (beinahe in Sichtweite des Hohen Doms zu Paderborn), die Evangelische Kirche, eine Freie Evangelische Gemeinde, die Neuapostolische Kirche und Baptisten, aber vor allem auch das Zentrum der syrisch-orthodoxen Christen in Deutschland mit dem Sitz des Erzbischofs, den Islamischen Kulturverein mit einem Haus für das Freitagsgebet und einen buddhistischen Tempel im Bahnhofsgebäude mit einer Gemeinde, die aus dem gesamten deutschsprachigen Raum nach Warburg blickt.Ein Grund für das gute Zusammenleben mag die Überschaubarkeit der Stadt sein, aber vor allem die ganz selbstverständliche Begegnung all dieser Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit im Alltag. Warburg zeigt, dass Vielfalt Reichtum ist.Herausragend ist auch die Initiative des Bürgermeisters Tobias Scherf, die Religionen in all ihrer Vielfalt mit dem Warburger Religionsgespräch in den Mittelpunkt der Begegnung und des Diskurses gerückt zu haben – insbesondere in einer Zeit, da manche Menschen in diesem Land die Furcht vor Vielfalt aufwühlt und die Feinde des guten Zusammenlebens Angst erzeugen und verbreiten, um aufzuwühlen.

Menschen in Warburg setzen Impulse

Das Warburger Religionsgespräch und die Vorgespräche mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Gesprächsrunde haben mir schließlich gezeigt, welches Potential auch in einer kleineren Stadt vorhanden ist. Freilich, hier wird es keine Institution wie eine „Evangelische Akademie“ geben. Aber eine Einrichtung ähnlich wie ein „Evangelisches Forum“, sozusagen eine Stadtakademie, wäre schon denkbar. Ich bin in Warburg Menschen begegnet, die genug Impulse zu setzen in der Lage sind, um eine solche Institution des Austauschs  über das Jahr mit Leben zu füllen  - mit einem Programm, das zugleich den Geist, wie auch alle Sinne anspricht. Ein Forum, das nicht segregiert, sondern inkludiert.

Einladung zu "Pfarrer Piepers philosophischem Salon"

Für die Ortskundigen habe ich schon erste Ideen: Die katholische Seite lädt ein zu „Pfarrer Piepers philosophischer Salon“. Partizia Müller, die evangelische Pastorin, offenbart  „Meine römische Liebe“ und erläutert in einer weiteren Veranstaltung das Verhältnis von Mensch und Tier am Beispiel des Hundes. Sie wird erklären, warum das Tier keine Sache ist, wie es Kant behauptet hat. Pfarrer Bernd Kappes (Ev. Akademie Hofgeismar) dürfte sich freuen, hierzu einen Beitrag zu leisten. Ayse Ergin nimmt den Buchtitel von Jan Loffeld „Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt“ auf und berichtet von dem Wandel, den sie in der deutschen, aber auch in der türkischen Gesellschaft beobachtet. Detlev Schmidt erläutert im Vergleich von Autoindustrie und zum Beispiel dem Gesundheitssystem, warum Qualität kein Kostenfaktor und niemals zu teuer ist, sondern Erfolg begründet und Kosten senkt. Schließlich spricht Tu Houa über das Verhältnis von Glauben, Lachen und guten Geschäften. Und wenn sich die Akteure während der Veranstaltungen online international vernetzen mit Referenten und Rezipienten, dann liegt Warburg mittendrin.



Pfarrer Gehrhard Piepers Wahrnehmung des Religionsgesprächs:
Pfarrer Gehrhard Pieper, Leiter des Pastoralen Raumes Warburg und Dechant im Kreis Höxter, beschreibt sein Erleben des Religionsgespäches rückblickend:
Ich beginne eher ein wenig poetisch. Der Tag begann regnerisch und kühl. Die Sonne kam aber heraus, vertrieb Regen und Wolken, gab einem frühherbstlichen Tag eine Chance. Und der ergriff sie.
Ich denke, das passt auch inhaltlich und atmosphärisch gut zur Beschreibung der Stunden im syrisch-orthodoxen Kloster. Gespräch mit den Religionsgemeinschaften, Demokratie, Toleranz, Miteinander – in Anwesenheit vom Altbundespräsidenten Christian Wulf – das hört sich staatstragend und wichtig an, das beeindruckt und hat das Potential einzuschüchtern. Für Warburg und für die syrisch-orthodoxen Gastgeber in jedem Fall ein großer Tag.

Ein wertschätzendes Gespräch für alle Teilnehmenden

Die Gastfreundschaft des Erzbischofs, seiner Mönche und Schüler, war mustergültig. Der Gäste erwünscht und darum hofiert. Danke.
Das Setting, Stuhlanordnung, Gesprächsvorbereitung und Rahmen angenehm und Vertrauen erweckend. Das Gespräch würde für alle Teilnehmenden angenehm und wertschätzend sein. War es dann auch. Herrn Müller von der Grün meinen herzlichsten Dank.
Ja, Herr Tu war und ist mir als Gastronom vertraut. Seine Herzlichkeit überzeugt/überzeugte. Dass von Warburg aus Glaubensbrüder/-schwestern bis nach Rosenheim im Blick sind/ Herzensangelegenheit sind, war mir neu und erweckt in mir großen Respekt.

Die Definition von Freiheit

Der gesellschaftliche Rahmen, in dem das Gespräch stattfand, ist mehr mit Regen und Wolken als mit einem sonnigen Herbsttag in Verbindung zu bringen. Von daher war die Frage, die an mich gerichtet wurde, Freiheit und bisweilen auch das Ergebnis freier, gleicher und geheimer Wahlen auszuhalten mit Blick auf die jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, ein großer Aufschlag.
Mir war es bei der Beantwortung der Frage wichtig, nicht auf den „Osten“ zu verkürzen, nicht bei Schlagworten zu bleiben. Worte wie Freiheit und Demokratie werden in meiner Wahrnehmung zu selbstverständlich gebraucht, als wenn alle sich längst schon auf deren Inhalt verständigt hätten. Freiheit ist für mich nicht zunächst eine „Freiheit von“, sondern eine „Freiheit zu“. Freiheit ist für mich mehr als „Du hast mir gar nichts zu sagen. Ich kann machen, was ich will.“ Das wäre für mich pubertär, unmündig. Freiheit, so wie ich sie verstehe, ist eine „zu“. Was ist mir wichtig? Wofür will ich mich einsetzen? Welche Ziele und Ideale sind für mich/ für uns handlungsleitend.

Demokratie ist ein "großes, gemeinsames Projekt"

Und Demokratie, das zweite große Wort, ist für mich weniger eine Herrschaftsform – nämlich die des Volkes, sondern eine große Idee. Die Idee nämlich, dass wir Deutschen gelernt haben, dass wir gute Nachbarn sein wollen – in Europa und darüber hinaus, dass man vor uns keine Angst haben muss; dass wir gute Nachbarn sein wollen – auch in unserem alltäglichen Umfeld, dass uns der oder die andere wertvoll ist, ob er/sie nun groß oder klein, alt oder jung, Mann oder Frau ist; dass Religion, Bekenntnis oder Nichtbekenntnis für uns kein Ausschlussgrund sind; dass uns Rechte und Pflichten, dass uns Rechtstaatlichkeit und Gewaltenteilung wichtig sind. Und gerade da werde ich sorgenvoll. Diese Big Story, diese Erfolgsgeschichte, scheint mir zwischen unseren Fingern zu zerrinnen. Demokratie ist für mich mehr als ein Wohlstandsmotor. Demokratie ist für mich eine Idee, eine Haltung, ein großes und ein gemeinsames Projekt. „Storytelling“ tut not.

Menschenfreundlichkeit ganz alltäglich leben

Gefragt, was Kirche und Glaube nun tun könne, damit Demokratie funktioniere? Die Kirchen sind längst nicht mehr „der“ Kitt der Gesellschaft. Der moralische Zeigefinder hat sich selbst disqualifiziert, ist wahrscheinlich auch gar nicht angezeigt. Kirchen und Religionsgemeinschaften können das tun, was ihnen eigen ist, was ihrem Wesen entspricht: Sehnsüchten und Träumen, Sorgen und Befürchtungen Raum zu geben, sie aussprechbar und besprechbar zu machen. Was sind denn die tiefergehenden Themen? Könnte man die Dinge auch anders sehen? Welche Lösungsansätze könnte es geben? Was täten mir gut, wissend, das Veränderung herausfordert ist? Im kirchlichen Kontext könnte man das Seelsorge oder Trauerarbeit nennen. Menschen einfach guttun. In anderen Zusammenhängen spräche man von Changemanagement.
Beeindruckend fand ich die „Good News“, aber auch deren Echtheit und Offenheit, der übrigen Gesprächsteilnehmer/innen. Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, Religionszugehörigkeit und Lebenswelt sind hier in Deutschland/ hier in Warburg angekommen, heimisch und Mitbürger/innen geworden. Das gilt es auch wahrzunehmen, neben dem Regen und den Wolken des sonstigen gesellschaftlichen Diskurses. Diese Big Story soll und darf uns niemand madig machen. Und darum gilt es diese Menschenfreundlichkeit ganz alltäglich zu leben.
Der Bundespräsident, in der Mitte sitzend und sicher auch im Focus aller, sich selbst nicht überhöhend, vielmehr nahbar, zugewandt, wach, motivierend, wertschätzend, werbend für Demokratie und Freiheit, werbend für eine Zusammenleben, wie es mir gefällt. Danke.