Erläuterungen zum „Barrierefreien Historischen Stadtkern“ in Warburg
Die Erläuterung der vorgeschlagenen Maßnahmen bezieht sich ausschließlich auf den vom Lenkungskreis favorisierten Entwurf des Landschaftsarchitekturbüros Irene Lohaus, Peter Carl aus Hannover.
Lageplan des Entwurfs Lohaus
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Der Lenkungskreis besteht aus folgenden Personen:
Frau Dr. Birgitta Ringbeck, Ministerium für Bauen und Verkehr
Frau Nejlâ Bicakoglu-Murzik, Ministerium für Bauen und Verkehr
Frau Ulrike Berger, Bez. Reg. Detmold
Frau Dr. Bettina Heine-Hippler, LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen
Herr Dr. Dieter Figge
Herr Andreas Drolshagen, Seniorenzentrum St. Johannes
Herr Holger Schünemann, HPZ Warburg
Herr Arnold Schreier, Bürger & Rollstuhlfahrer
Herr Bürgermeister Michael Stickeln
Herr I. Beigeordneter Klaus Braun
Herr Manfred Behler, Bauamt
Herr Walter Güntermann, Bauamt
Ein wesentliches Ziel der Neugestaltung der öffentlichen Räume in der Neustadt ist die Stärkung des historischen Gesamtensembles mit seinem ganz besonderen, einmaligen Flair bei gleichzeitiger Integration aktueller Nutzungsanforderungen an Barrierefreiheit, an Attraktivität für Touristen und für den täglichen Gebrauch.
Dazu trägt ein einheitlicher Bodenbelag bei, der sich in das historische Ensemble einfügt, an traditionelle Gestaltungsbilder Warburgs anknüpft, diese zeitgemäß und innovativ interpretiert und die Anforderungen an die Barrierefreiheit berücksichtigt.
Die Struktur des vorgeschlagenen Bodenbelags orientiert sich an dem historischen Bild der Straßenräume um die Jahrhundertwende: Diagonal gepflasterte Laufbänder durchziehen die im übrigen aus Großsteinpflaster hergestellten Straßenräume. Die 1,2 m breiten Laufbänder werden in einem hellen Steinmaterial hergestellt (z.B. Kalkstein wie Dolomit), der Großsteinpflasterbelag in einem farblich dunkleren beige-braun-grau-changierenden Material – (z.B. Grauwacke). Die mögliche Auswahl von Dolomit und Grauwacke orientiert sich an heute im Stadtbild vorhandenen Materialien (Wesersandstein, Eisenhoitbrunnen aus Kalkstein etc.).
Die Großsteinpflasterflächen aus Grauwacke werden in Werksteinqualität (in der
Oberfläche und an den Kanten handwerklich nachbearbeitet, z.B. gestockt) verwendet, die diagonal verlegten Laufbänder aus Dolomit werden aus gesägten und in der Oberfläche gestockten Steinen hergestellt. Diese Steinqualitäten bieten wegen der präziseren Fugen und der ebenen Oberfläche einen hohen Geh- und Fahrkomfort bei gleichzeitiger Wahrung einer dem Natursteinmaterial und dem historischen Umfeld angemessenen Oberflächenoptik.
Die farblich abgesetzten Laufbänder mit deutlich unterschiedlicher Verlegeart, gut und sicher begehbarer Oberflächentextur formulieren eine klar von Einbauten, Auslagen und parkenden Autos freizuhaltende Zone, die nicht nur seh- und gehbehinderten Menschen, sondern allen Nutzern, Bewohnern und Touristen eindeutige, durchgängige Bewegungsleitlinien durch die Neustadt bieten.
Die Mittelzone (Fahrspur) ist als typische Mischverkehrsfläche aller Verkehrsarten inkl. Fußgänger ausgelegt. Hier sind einseitig (ggf. auch wechselseitig) Stellplätze integriert. Teile der Stellplätze können in den Sommermonaten auch als Außengastronomieflächen angeboten werden. Querungsmöglichkeiten für sehbehinderte Menschen sind als Oberflächenriffelung integriert und durch Aufmerksamkeitsfelder in den Laufbändern auffindbar gestaltet.
In die Zone für Längsparker und damit abgerückt von den Fassaden und von freizuhaltenden Bewegungslinien sind punktuell Bäume integriert. Es wird eine kleinbleibende Eschenart vorgeschlagen, die mit ihren lichten Laub und ihrer Herbstfärbung die Straßenräume atmosphärisch bereichert. Ihre Wuchsart ist auch dennoch geeignete, um für den Busverkehr ein ausreichendes Lichtraumprofil herzustellen.
Gebrüder-Warburg-Platz
Der Platz wird in seinem grüngeprägten Charakter erhalten und gestärkt. Die gesunden, malerischen Bäume werden weitgehend erhalten bzw. durch Neupflanzungen ergänzt. Sie werden in ihrer Kontur mit Stufen begleitet, die zum Betreten der wassergebundenen Platzfläche einladen. Um die Großzügigkeit und Aufenthaltsqualität des Platzes zu stärken und in unmittelbar angrenzenden Gebäuden eine Möglichkeit zur gastronomischen Nutzung zu eröffnen, werden die Stellplätze durch Zurückschwenken der Platzkontur an der Unterstraße als Senkrechtparker in gleicher Anzahl angeordnet.
Entwurf Gebrüder-Warburg-Platz Lohaus
Auf der Platzfläche bieten zwei „Wasserwippen“ Blickfang und Spielangebot gleichermaßen. Je ein aus Basalt und aus Kalkstein gefertigter sitzhoher, langgestreckter Steinquader ist an der Oberfläche mit einer rinnenartigen Reliefstruktur versehen, die mit Wasser durchflossen wird. Die Steinquader sind am Mittelpunkt beweglich gelagert, sodass sie auch von Kinderhand und wenige Zentimeter, wie eine Wippe nach oben unten, bewegt werden können. Auf diese Weise kann die Fließrichtung des Wassers in der Rinne geändert werden – je nach Neigung strömt das mittig eingespeiste Wasser über die eine oder andere Stirnseite zurück in das unterirdische Reservoir.
Das Rinnenrelief generiert sehr unterschiedliche Wasserbilder und lässt sich durch bewegliche Einbauten individuell beeinflussen und bietet somit Kindern experimentelle Spielmöglichkeiten.
Marktplatz
Der Marktplatz wird weitgehend in seiner heutigen Gestalt erhalten. An den Rändern des Platzes und von der Hauptstraße zum Haupteingang der Kirche werden Lauf-bänder mit ebenflächiger Oberfläche eingefügt. Weiterhin wird vorgeschlagen, die topografisch etwas unglückliche Einbindung der Touristeninformation / WC dazu zu nutzen, einen ebenflächigen Platzbereich, der sich für die außengastronomische Nutzung eignet, herzustellen. Dazu wird die heute im Bereich des rückwärtigen WCs vorhandene Stützmauer in eine Treppenanlage umgewandelt. Die Platzfläche oberhalb der Stufenanlage bleibt unverändert erhalten und kann weiterhin für den Wochenmarkt genutzt werden. Auf dem nahezu ebenflächigen unteren Marktplatzbereich wird ein lockeres Baumdach angepflanzt, das Aufenthalts- und Spielmöglichkeiten bietet.
Entwurf Marktplatz Lohaus
Neuartige Blinden- und Sehbehindertenleitlinie
Die Anforderungen für seh- und mobilitätseingeschränkte Menschen divergieren bekanntermaßen und stellen teilweise gestalterisch konträre
Anforderungen (ertastbare Höhenunterschiede, kontra Ebenflächigkeit).
Der notwendige Farbkontrast und die Durchgängigkeit der Leitlinie für Sehbehinderte sind in vielen Städten gestalterisch nur schwer miteinander in Einklang zu bringen. In Warburg könnte eine neuartige unterirdische Ausprägung der Leitlinie für Sehbehinderte und Blinde, die mit dem Blindenstock unterwegs sind, realisiert werden, die im übrigen auch für Touristen nutzbar gestaltet werden könnte.
Sie wird von dem Blindenstock erkannt und leitet unabhängig von der Ausprägung des Bodenbelags sicher durch die gesamte Neustadt. Die Idee dazu wurde vom Büro LohausCarl zusammen mit dem Institut Grundlagen der Elektrotechnik und Messtechnik der Universität Hannover entwickelt und könnte im Rahmen eines Forschungsprojektes (Modellprojekt) für Warburg zur Baureife weiterentwickelt werden.
Eine weitere Herausforderung ist die Herstellung barrierefreier Hauszugänge. Die historisch beengte Situation der Gassen, die teilweise um mehrere Stufen höher liegenden Eingänge und die unterschiedlichen Nutzungen der Gebäude lassen nur eine auf die jeweilige individuelle Situation abgestimmte barrierefreie Lösung zu.
Es handelt sich um Lösungen, die für Mobilitätseingeschränkte und Kinderwagen gleichermaßen praktikabel sind (z.B. behindertengerechte Rampen).
Die Hauptstraße ist in den zweispurig befahrenen Abschnitten zwischen der L 552 (Alte Postecke) und Einmündung der Sternstraße und vom Kreisel bis zur Einmündung in die Josef-Wirmer-Straße (Ecke Stadtkrug) stark mit Bussen frequentiert. Die übrigen Abschnitte der Hauptstraße befahren dagegen nur wenige Busse. Daher wird vorgeschlagen, die im Gegenrichtungsverkehr und stark durch Busse befahrenen Abschnitte in der Mittelzone in einem Asphalt auszubilden, der mit einer besplitteten Decke aus der im übrigen als Pflaster verwendeten Grauwacke hergestellt wird und sich somit haptisch und optisch in den Materialkanon einfügt. Die Rinnen werden in Grauwackepflaster hergestellt, sodass ein Profil von ca. 5,4 m als besplittete Asphaltfläche (Fahrspur) verbleibt.
Dieses Gestaltungsprinzip kann auch in den übrigen, durch den Busverkehr belasteten Straßen Anwendung finden, z.B. in der Unterstraße und in der Sternstraße.
Beleuchtungskonzept
Um die Besonderheit des Warburger Stadtgrundrisses und die Raumfolge von Straßen und Plätzen zu betonen, wird vorgeschlagen, die Beleuchtung an den Fassaden der Gebäude anzubringen. Diese Lichtpunkte werfen auch ein Streiflicht auf die Fassaden und können somit auch die Besonderheit der Gebäude zur Geltung bringen. Gleichzeitig bleiben die Straßenräume frei von auch beim Rangieren störenden Einbauten.
Denkbar sind auch sog. Pendelleuchten, die rechts und links an den Gebäuden an-gebracht werden, deren mittig angebrachter Leuchtkörper den Verkehrsraum deutlich ausleuchten ohne die Bewegungsfreiheit der Fußgänger und Fahrzeuge einzuschränken.
Die Warburger Bevölkerung hat am 12. Januar 2010 die Gelegenheit, sich umfassend über den favorisierten Entwurf zu informieren.
Eigens dazu wird eine Bürgerversammlung einberufen, die um 18.00 Uhr, im Pädagogischen Zentrum in Warburg, Wachtelpfad 2, stattfindet.
Neben der Entwurfsverfasserin, Frau Irene Lohaus, wird auch das mit der Organisation und Moderation des Werkstattverfahrens beauftragte Büro scheuvens + wachten, vertreten durch Herrn Prof. Kunibert Wachten, anwesend sein.
Im Anschluss finden Sie die Planskizzen und einige Entwürfe der Landschaftsarchitekten Scape und Fritschi:
Planskizze Fritschi
Download in Originalgröße (PDF-Datei)
Hauptstraße Fritschi
Planskizze Scape
Entwurf Gebrüder-Warburg-Platz Scape
Entwurf Marktplatz Scape
Entwurf Hauptstraße Scape